Internationale Alumni-Tagung „Theorie und Praxis der Text- und Diskursanalyse“

Prof. Lali Kezba-Chundadse zum 70. Geburtstag gewidmet     Georgisch

Ein Tagungsbericht

Die internationale Alumni-Tagung „Theorie und Praxis der Text- und Diskursanalyse“ fand vom 14. bis 16. Oktober 2015 an der Staatlichen Ivane Javakhishvili Universität Tbilisi statt. Die Tagung wurde durch den Lehrstuhl für Deutsche Philologie an der Staatlichen I. J. Universität Tbilisi und das Institut für Germanistik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf im Rahmen der germanistischen Institutspartnerschaft veranstaltet. Die Veranstalung wurde durch das Alumni-Programm des DAAD gefördert. Die Tagung wurde der Leiterin des Lehrstuhls für Deutsche Philologie Prof. Dr. Lali Kezba-Chundadze zu ihrem 70. Jubiläumstag gewidmet.

Das Thema der Tagung

Das Hauptthema der Tagung stellte die Text- und Diskursanalyse (basierend auf dem Diskursbegriff Michel Foucaults) dar. Das Ziel der Konferenz bestand darin, die neueren Forschungsansätze, Methoden der Text- und Diskursanalyse sowie die Einzeluntersuchungen zu den jeweiligen diskursiven Praktiken zu diskutieren. Eine der leitenden Fragestellungen war es, die interdisziplinären Schnittstellen der Text- und Diskursanalyse für die Sprach- und Literaturwissenschaft herauszufinden und die Möglichkeiten der interdisziplinären Zusammenarbeit zu erörtern.

Das Themenspektrum der Konferenz war insgesamt breit gefächert und ging im Einzelnen über die traditionellen Gegenstände der Text- und Diskursanalyse hinaus. In manchen Beiträgen waren auch (z.T. im Anschluss an den Kontext der Text- und Diskursforschung) die Themen und Forschungsgegenstände aus den Gebieten der Varietätenlinguistik/Soziolinguistik, Interaktionsanalyse und Computerlinguistik vertreten.

Die Jubilarin: Frau Prof. Dr. Lali Kezba-Chundadze

Am Eröffnungstag haben alle ReferentInnen in ihren Begrüßungsworten auf das 70. Jubiläum der Prof. Lali-Kezba-Chundadse Bezug genommen und über die Verdienste der Jubilarin in der wissenschaftlichen Forschung und in der internationalen Zusammenarbeit gesprochen. Prof. Dr. Lali Kezba Chundadze ist Leiterin des Lehrstuhls für Deutsche Philologie. Zusammen mit Prof. Dr. Sibylle Schönborn leitet sie seit mehr als 8 Jahren auch die germanistische Institutspartnerschaft zwischen der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und der Staatlichen Ivane Javakhishvili Universität Tbilisi. Wie die ReferentInnen hervorgehoben haben, wäre ohne ihren großen Einsatz im Bereich der internationalen Zusammenarbeit auf der akademischen Ebene, ohne ihre langjährige Tätigkeit in Forschung und Lehre, ihre Bemühungen zur Popularisierung der deutschen Sprache und Germanistik in Georgien, die Veranstaltung einer großen internationalen Konferenz über die Text- und Diskursanalyse in Tbilisi schwer vorstellbar.

Einen besonders großen Beitrag hat Prof. Dr. Lali Kezba-Chundadze zur Einführung und Etablierung der linguistischen Diskursforschung in Georgien geleistet. Sie war die erste georgische Germanistin, die Forschungsbeiträge über die Methoden und Ansätze der deutschsprachigen Diskurslinguistik nach Foucault und deren Anwendungsmöglichkeiten veröffentlicht hat. Zu erwähnen ist vor allem ihr Beitrag: „Rauminszenierung im georgischen postmodernen Diskurs (am Beispiel einer Kurzgeschichte aus dem Roman Santa Esperanza von Aka Morchiladze“ (In: Text-Brücken zwischen den Kulturen. Festschrift zum 70. Geburtstag von Bernd Spillner. Rentel, Nadin und Venohr, Elisabeth. Frankfurt am Main: Peter Lang 2012 S. 321-353).

Die diskursiven Praktiken wurden auch in mehreren Master- und Bachelorarbeiten unter Betreuung von Prof. Lali Kezba-Chundadze thematisiert: „Gewalt auf Frauen im deutschen Migrantendiskurs“, „Ukraine-Konflikt im deutschen Mediendiskurs“. Einige Doktorandinnen von Prof. Kezba-Chundadze arbeiten seit langem ebenfalls im Bereich der Diskursforschung (erforscht wird der publizistische Diskurs von Marion Dönhoff, in einer weiteren Arbeit wird ein interkultureller Vergleich zwischen den verschiedenen Wissenschaftsdiskursen vorgenommen). Die Nachwuchswissenschaftlerinnen verwenden in ihren Arbeiten das DIMEAN-Modell von Warnke und Spitzmüller und praktizieren die neueren Ansätze zur transtextuellen, intertextuellen Diskursforschung und Akteursanalyse.

 

Eröffnung der Tagung. Begrüßungsreden

Dekanin Prof. Darejan Tvaltvadze, Dr. Levan Zagareli und Stellv. Außenminister Gigi Gigidze
Dekanin Prof. Darejan Tvaltvadze, Dr. Levan Zagareli und Stellv. Außenminister Gigi Gigidze

Die erste Begrüßungssrede der Tagung hat die Dekanin der Fakultät für Geisteswissenschaften an der Staatlichen Ivane Javakhishvili Universität Tbilisi, Frau Prof. Darejan Tvaltvadze, gehalten. Die Veranstaltung der internationalen Tagung hat sie als ein Ergebnis der langjärigen Zusammenarbeit des Lehrstuhls für Deutsche Philologie, unter Leitung von Prof. Kezba-Chundadze, mit den deutschen akademischen PartnerInnen und KollegInnen vorgestellt, von denen viele bei der Tagung anwesend waren. Besonders hervorgehoben hat die Dekanin die erfolgreiche Institutspartnerschaft mit dem Institut für Germanistik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, in dessen Rahmen innerhalb der letzten 8 Jahre zahlreiche georgische Studierende und NachwuchswissenschaftlerInnen die deutsche Forschung und Lehre kennenlernen und praktizieren durften. Prof. Darejan Tvaltvadze betrachtet solche Partnerschaften als eine hervorragende Voraussetzung zur Internationalisierung der georgischen akademischen Welt, die eine der anzustrebenden Ziele der georgischen Universitäten darstellt.

Dr. Martin Praxenthaler, Leiter des DAAD-Informationszentrums Tbilisi, zusammen mit Assoz Prof. Konstantin Bregadze, Gigi Gigiadze und Prof. Darejan Tvaltvadze
Dr. Martin Praxenthaler, Leiter des DAAD-Informationszentrums Tbilisi, zusammen mit Assoz Prof. Konstantin Bregadze, Gigi Gigiadze und Prof. Darejan Tvaltvadze

Der Leiter des DAAD-Informationszentrums in Tbilisi und DAAD-Lektor an der Staatlichen Universität Tbilisi, Dr. Martin Praxenthaler, hat über die Signifikanz der Förderung der deutschen Sprache und Germanistik in Georgien gesprochen. Er hat in seiner Rede auch die Verdienste des Lehrstuhls für Deutsche Philologie, unter Leitung von Prof. Lali Kezba-Chundadze, betont, für die Aufrechterhaltung eines hohen Niveaus der germanistischen Fachdisziplinen angesichts der ungünstigen Lage für die Lehre der deutschen Sprache in den georgischen Schulen.

Organisatorinnen der Tagung: Prof. Dr. Sibylle Schönborn und Prof. Dr. Lali Kezba-Chundaduze
GIP-Leiterinnen (HHUD-TSU): Prof. Dr. Sibylle Schönborn und Prof. Dr. Lali Kezba-Chundaduze

Eine weitere Begrüßungsrede hielt Dr. Irma Zereteli, die Leiterin des georgischen DAAD-Alumnivereins, ebenso wie der stellvertretende Außenminister Georgiens, Gigi Gigiadze, der über die Bedeutung der internationalen Tagungen und die wichtige Rolle der deutsch-georgischen Beziehungen gesprochen hat.

Frau Prof. Dr. Sibylle Schönborn,  die Leiterin der Institutspartnerschaft zwischen der HHU Düsseldorf und der Staatlichen I. J. Universität Tbilisi, hat in ihrem Grußwort über die organisatorischen Hintergründe der Konferenz gesprochen und sich bei allen Beteiligten der Tagungsveranstaltung herzlich bedankt. Ihre Rede diente unter anderem zur Einführung in das Thema der Konferenz.

Prof. Dr. Lali Kezba-Chundadze bei ihrer Begrüßungsrede zusammen mit Prof. Dr. Sibylle Schönborn
Prof. Dr. Lali Kezba-Chundadze bei ihrer Begrüßungsrede zusammen mit Prof. Dr. Sibylle Schönborn

Zum Schluss der Eröffnungssitzung hat Frau Prof. Dr. Kezba-Chundadze die TeilnehmerInnen begrüßt und sich für die hohe Einschätzung ihrer bisherigen Tätigkeit bedankt. Sie hat über einige Vorbereitungsphasen des dreijährigen Projekts und die Aktualität des Tagungsthemas gesprochen. Sie hat sich auch positiv über die Beteiligung des gesamten Lehrstuhls und insbesondere die Einbeziehung der StudentInnen und NachwuchswissenschaftlerInnen des Doktorandenforums geäußert. Schließlich hat sie sich bei der Mitveranstalterin Prof. Dr. Sibylle Schönborn bedankt. Ihren Dank hat sie außerdem an alle MitarbeiterInnen des Instituts für Germanistik an der Heinrich-Heine-Universität gerichtet, die an der Vorbereitung und Durchführung der Tagung mitgewirkt haben. Besonders dankbar hat sie den DAAD und das deutsche Auswärtige Amt erwähnt, die die Tagung finanziell unterstützt haben.

 

Plenarvorträge

Die Plenarvorträge wurden von den bekannten deutschen Wissenschaftlern Prof. Dr. Dietrich Busse (Inhaber des Lehrstuhls an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf), Prof. Dr. Volker Dörr (Inhaber des Lehrstuhls für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf); Prof. Dr. Ingo Warnke (Universität Bremen) und Prof. Dr. hc. Ernest W. B. Hess-Lüttich (Universität Bern) gehalten.

Prof. Dr. Dietrich Busse, einer der wichtigsten Vertreter der „Düsseldorfer Schule“, welche die deutschsprachige Diskursforschung maßgeblich geprägt hat, hat im Rahmen seines Beitrags über die Möglichkeiten der Einbeziehung der linguistischen Frameanalyse in die Diskursforschung gesprochen und die Evidenzen für den Einfluss des Framewissens auf die Gestaltung der Sätze, Texte und Diskurse erläutert.

Prof. Dr. Ulrich Ammon; Prof. Dr. hc Ernest Hess-Lüttich, Prof. Dr. Ingo Warnke und Prof. Dr. Helmuth Brall-Tuchel
Prof. Dr. Ulrich Ammon; Prof. Dr. hc Ernest Hess-Lüttich, Prof. Dr. Ingo Warnke und Prof. Dr. Helmuth Brall-Tuchel

Prof. Dr. Volker Dörr hat in seinem Plenarvortrag „Literatur: ein (Inter-)Diskurs?“ die Frage nach dem Wesen der Literatur aus der Perspektive der Diskurstheorie erörtert. Er setzte sich mit den bereits etablierten Ansichten der bekannten Diskurstheoretiker, wie Michel Foucault und Jürgen Link, zur Literatur kritisch auseinander und versuchte, deren Gültigkeit zu überprüfen, indem er das Verhältnis zwischen Literatur und Diskursen unter diachronischem Blickwinkel betrachtete. Anhand der Analyse konkreter Beispiele äußerte der Referent folgende Vermutung: Zwar kann Literatur sowohl diskursive als auch interdiskursive Merkmale aufweisen, viel angemessener erscheine es jedoch, sie als eine transdiskursive Formation zu behandeln, in deren Rahmen Elemente aus verschiedenen Diskursen nebeneinander vorkommen können.

Nach einem Vortrag
Nach einem Vortrag

Prof. Dr. Ingo Warnke hat sich in seinem Eröffnungsbeitrag kritisch mit dem Trend auseinandergesetzt, die Diskurse einzig und und allein mittels „Big-Data-Patterns“ medialer Texte zu analysieren. Statt den pluralen Kommunikationsformen, die zusammen mit den anderen Formen auf der transtextuellen und intertextuellen Ebene ein Korpus bilden, hat Prof. Dr. Warnke zur Analyse die isolierten Einheiten, die „verstreuten“ Aussagen, herangezogen, denen, obwohl sie zu keinen umfangreichen Korpora zugeordnet werden können, eine bestimmte diskursive Praxis zugrunde liegt.

 

Prof. Dr. Ernest Hess-Lüttich hat über den Diskurs zum Thema der „Stolpersteine“ in Deutschland gesprochen: Die Stolpersteine sind ein Projekt des deutschen Künstlers Gunter Demnig, nach welchem durch die Gedenktafeln auf der Straße das Schicksal jener Menschen in Erinnerung gerufen werden soll, die zur Zeit des NS-Regimes verfolgt wurden. Die Einführung von Stolpersteinen hat in Deutschland eine kontroverse Diskussion hervorgerufen. Prof. Dr. Hess-Lüttich hat die Besonderheiten der Argumentation von Gegnern und Befürwörtern des Stolpersteine-Projekts besprochen. Wie Prof. Dr. Ingo Warnke zeigte auch Prof. Dr. Hess-Lüttich durch seinen Vortrag, dass der Gegenstand der Diskursanalyse nicht nur die umfangreichen Textkorpora, sondern auch die einzelnen isolierten sprachlichen Äußerungen, wie die Schriften einer Gedenktafel, sein können.

 

Andere TeilnehmerInnen und der weitere Verlauf der Tagung

 

An der Tagung haben darüber hinaus viele weltbekannte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler teilgenommen. Unter den TeilnehmerInnen waren Prof. Dr. Ulrich Ammon und Prof. Dr. Bernd Spillner (Universität Duisburg-Essen), Prof. Dr. Helga Kotthoff (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) und Prof. Dr. Gertrude Rösch (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg). Desweiteren trugen Prof. Dr. Sibylle Schönborn, Prof. Dr. Helmut Brall-Tuchel und Christian auf der Lake (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) vor. Die Tagung wurde außerdem durch die interessanten Beiträge der Referentinnen aus der Universität des Saarlandes (Dr. Elisabeth Venohr, Dr. Christiane Haumann und Prof. Dr. Polzin Haumann)  über die kontrastive, deutsch-französische Diskursanalyse ergänzt.

Zu erwähnen ist, dass die Tagung auch sehr viel zur regionalen Zusammenarbeit der GermanistInnen beigetragen hat. Zur Konferenz kamen die GermanistInnen aus Jerevan, Ancara und Kutaisi zusammen.

Doktorandenforum: Doktorandin Magda Gugunishvili und Prof. Dr. Dietrich Busse
Doktorandenforum: Doktorandin Magda Gugunishvili und Prof. Dr. Dietrich Busse

Zu einem Highlight der Tagung wurde das Master- und Doktorandenforum am 16. Oktober. Die Abteilung der deutschen Sprachwissenschaft wurde von Prof. Dr. Dietrich Busse geleitet. Das Themenspektrum und die Forschungsschwerpunkte der NachwuchswissenschaftlerInnnen waren dabei vielfältig und umfassten neben der Diskursanalyse auch die Themen aus den Gebieten der Fachtextanalyse (Verwaltungstexte, Gesetzestexte), Gesprächsanalyse (im Sinne der Ethnographie der Kommunikation) und der kontrastiven Analyse von wissenschaftlichen Texten.

Die literaturwissenschaftliche Abteilung des Forums wurde von Prof. Dr. Volker Dörr und Prof. Dr. Sibylle Schönborn geleitet. In dieser Abteilung haben neben den georgischen ForscherInnen auch die Doktorandinnen aus der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Lydia Heuser und Annika Gilgen, ihre Beiträge gehalten.

Nach der Tagung

Die ausländischen TeilnehmerInnen äußerten sich übereinstimmend positiv über die Tagung: Sie haben alle darauf hingewiesen, dass die Tagung auf einem hohen Niveau veranstaltet wurde. Prof. Dr. Lali Kezba-Chundadze hat außerdem eine Nachricht des Inhabers vom Lehrstuhl für die Sprachwissenschaft an der Warschauer Universität, Herrn Prof. Waldemar Czachur erhalten, der beeindruckt durch das Tagungsprogramm und die Veranstaltung der Konferenz, sein großes Interesse und seinen Wunsch zur Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für die deutsche Philologie äußerte.